Plangespräch mit Steven Keller

«Nachhaltigkeit ist kein Trend – sie ist ein Anspruch»

Wir haben grosse Photovoltaikanlagen aufs Dach gebracht, den Baustoff Beton beleuchtet und über Holz-Hybrid-Konstruktionen diskutiert. Seit Jahresbeginn erzählen uns Vordenker:innen der Branche, wie nachhaltiges Bauen gelingen kann. Ein Gespräch mit Steven Keller über Nachhaltigkeit und wie das bei den Keller Bauingenieuren - und privat - gelebt wird.

23. 06. 2025

"Nachhaltigkeit ist für mich die Kunst, heutige Bedürfnisse mit minimalem Ressourceneinsatz zu erfüllen – ohne die kommenden Generationen zu schädigen. Dieser Gedanke ist für uns kein Trend, sondern ein Grundsatz."

Im Gespräch mit Firmeninhaber Steven Keller ziehen wir Bilanz, verknüpfen Erfahrungen – und fragen, wie er Nachhaltigkeit lebt. Beruflich. Und privat. Er sagt: „Nachhaltigkeit ist für uns Leitprinzip». Wie meint er das?

Wie zeigt sich das?

SK: Ganz konkret in unseren Projekten: in der Wahl der Materialien, in der Planung und in der Ausführung. Die gesetzlichen Vorgaben und neue, innovative Baustoffe beeinflussen unsere Arbeit. Wir bauen heute anders: effizienter, materialschonender, durchdachter.

Gerade beim Thema Beton sehe ich grosses Potenzial. Er ist langlebig, robust, pflegeleicht – aber in der Herstellung auch CO₂-intensiv. Hier braucht es neue Ansätze.

"Nachhaltig bauen braucht den Willen, auch mal unbequeme Gespräche zu führen und Entscheidungen zu treffen, die über das eigene Projekt hinaus wirken."

Sind die Keller Bauingenieure nachhaltiger als andere?

Im Prinzip sind wir wahrscheinlich wie viele andere – was uns vielleicht unterscheidet ist der klare Anspruch, ressourcenschonend zu arbeiten. Wir erfassen regelmässig unseren Papierverbrauch, reduzieren ihn systematisch und organisieren wann immer möglich Projektsitzungen online. Dadurch sparen wir nicht nur Fahrten, sondern optimieren auch die Planung.

Und auf der Baustelle?

Wir reduzieren unsere Einsätze vor Ort auf ein Minimum – aber das funktioniert nur, wenn die Planung im Vorfeld stimmt. Ein früherer Chef sagte einmal zu mir: „Wenn du im Büro 120 % planst, läuft die Baustelle zu 100 %. Bei 100 % Planung im Büro läuft’s zu 80 %. Und bei 80 % im Büro? Dann ist das Chaos perfekt.“ Er hatte recht. Nachhaltige Baustellenlogistik heisst für uns also 120%-ige Planung liefern, damit wir unnötige Fahren vermeiden.

Das bringt mich zum Thema Mobilität – mit dem Velo auf die Baustelle, das wäre natürlich super. Geht das?

Der Standort in Rheinfelden ist ideal – wir sind mit ÖV bestens erschlossen. Etwa die Hälfte unserer Mitarbeitenden kommt tatsächlich mit dem Velo zur Arbeit. Unsere Projekte akquirieren wir gezielt im Umkreis von 50 Kilometern. Viele Baustellen haben wir also in unmittelbarer Nähe und da wäre es möglich mit dem Velo hinzuradeln für eine Besprechung. Wir wählen auch einen anderen Fokus und stellen unseren Fuhrpark in den nächsten ein bis zwei Jahren komplett auf moderne, emissionsarme Fahrzeuge um. Aber Ja, Elektrobikes wären auch ein Plan für kurze bis mittellange Strecken, stimmt. Mit Blick auf die Strassen und den vielen Staus, wäre das tatsächlich eine Idee.

"Jeder und jede muss für das eigene Handeln Verantwortung übernehmen – das fängt beim Einkaufen an und hört im Berufsalltag nicht auf."

Wie lebst du Nachhaltigkeit zu Hause?

Privat kann man vieles direkt und konsequent umsetzen – das ist oft eine Einstellungsfrage. Wir kaufen konsequent lokal ein, praktisch zu 100 % bei Betrieben aus der Region oder aus der Schweiz. Einkaufstourismus oder Produkte aus Übersee, etwa Avocados oder Fleisch aus Neuseeland oder Argentinien, lassen wir ganz bewusst weg.

Auch beim Abfall sind wir konsequent – wir trennen alles. Und das funktioniert so gut, dass selbst unsere Kinder es automatisch tun, ohne darüber nachzudenken.

Unsere alte Ölheizung haben wir nach über 40 Jahren abgebaut – sie war nicht nur im übertragenen Sinn am Ende. Ein paar Mal hat sie uns im Stich gelassen, natürlich immer am Wochenende oder an Feiertagen. Heute haben wir ein modernes Heizsystem. Den Wärme- und Kälteschutz unseres Hauses haben wir stark verbessert – und unseren Strom erzeugen wir im Jahresdurchschnitt zu 100 % selbst.

Wo siehst du weiteres Potenzial – persönlich und im Unternehmen?

Ich glaube fest an Eigenverantwortung. Jeder und jede soll für das eigene Handeln Verantwortung übernehmen – das fängt beim Einkaufen an und hört im Berufsalltag nicht auf.

"Wer nachhaltig bauen will braucht Spielräume, einen guten Dialog zwischen den Fachplanenden und: Pragmatismus!"

Und was sind die grössten Herausforderungen?

Wir dürfen uns nicht verzetteln. Manchmal muss man auch einfach den 5er gerade sein lassen aber den Blick fürs Ganze behalten und unsere Aufgaben mit Vernunft lösen.

Die Vielzahl an Normen und Vorschriften macht es oft schwer, praktikable Lösungen zu entwickeln. Anforderungen überlagern sich – etwa Schallschutz, Bauphysik und erdbebensicheres Bauen. Das ist komplexer, als es aussieht. Gerade junge Architekt:innen und Ingenieur:innen geraten da schnell an Grenzen. Im Studium werden viele Themen isoliert behandelt – aber im echten Leben überlagert sich alles. Und trotzdem muss das Budget stimmen. Das ist die Königsdisziplin.

Was es braucht sind Spielräume. Einen guten Dialog zwischen den Fachplanenden. Und: Pragmatismus.

Worauf bist du besonders stolz?

Unser Entscheid, im Sommer 2026 umzuziehen, ist ein Meilenstein. Wir ziehen in ein innovatives Projekt mit autarker Energieversorgung und intelligenter Speichertechnik – wir freuen uns darauf, Teil davon zu sein. Wir setzen damit selber ein Zeichen. Als Ingenieurbüro begleiten wir schon heute Projekte mit ähnlicher Ausrichtung: Die Wärmezentrale Chloosfeld etwa, bei der durch moderne Holzschnitzeltechnik jährlich 2.800 Tonnen CO₂ eingespart werden.

Was möchtest du anderen mitgeben, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Bau- und Ingenieurbranche befassen?

Mut. Und Ausdauer. Es braucht den Willen, auch mal unbequeme Gespräche zu führen und Entscheidungen zu treffen, die über das eigene Projekt hinaus wirken. Man muss den Dialog suchen – mit Bauherrschaften, Investorinnen, Fachleuten. Und erklären, warum es sich lohnt, jetzt zu investieren. Nachhaltigkeit bedeutet auch, langfristige Einsparungen aufzuzeigen – ökologisch und finanziell.

Am Ende lebt Nachhaltigkeit vom Miteinander. Wenn wir heute handeln, können wir morgen Zukunft ermöglichen.

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